Liebe und Sexualität in Videospielen

Heute gibt es eigentlich kaum noch einen Film, der auf eine (meist sehr aufgezwungene) Liebesgeschichte verzichtet. Irgendwo gibt es immer einen Helden, der sich in eine Frau verliebt und am Ende bekommt er natürlich einerseits die Frau und andererseits rettet er zugleich die Welt vor dem sicheren Untergang.

Ganz klar, Liebesgeschichten gehen immer gut und sie sind meist eher ein Kalkül der Vermarktung als wichtiger Bestandteil der Filmstory. Und ebenso wichtig für das Marketing ist natürlich die obligatorische Sexszene. Denn was verkauft sich nochmals besser als Liebe? Sex.

Da ist es nur natürlich, dass auch in Videospielen immer mehr Liebe und Sex zum Einsatz kommt, allerdings wirkt das oftmals unfreiwillig komisch. Wenn sich zwei animierte Körper nackt aufeinander stürzen, die Lippen gegeneinander pressen und die Kamera so nah an das Geschehen heran kommt, dass selbst eine Jungfrau deutlich sieht, dass diese beiden Figuren sich gerade essen, aber ganz sicher nicht küssen, kommt beim Spieler höchstens der Drang auf zu lachen.

Zweifellos ist die Animation menschlicher Körper eine sehr, sehr schwierige Angelegenheit, denn wir alle sind Menschen und wir erleben täglich, wie sich echte Körper bewegen. Was uns dabei so natürlich und leicht vorkommt, stellt die meisten Grafiker vor eine schier unüberwindbare Herausforderung. Eigentlich ist das auch kaum verwunderlich, kommen bei einem intensiven Kuss beispielsweise an die 38 Muskeln zum Einsatz. Jeder Muskel müsste einzeln animiert werden, was einerseits viel Arbeit kostet und andererseits viel Rechenleistung benötigt.

Ein Thema ist die Heterosexualität in Spielen. Ein ganz anderes Feld jedoch ist der Umgang mit anderen sexuellen Orientierungen.

Gerade Rollenspiele mit einer offenen Spielwelt und einer nicht ganz so linear verlaufenden Geschichte sind perfekt prädestiniert für Romanzen. Und wenn es in dem besagten Spiel auch noch mehrere Begleiter gibt, ist es fast schon klar, dass sich irgendwelche Liebeleien ereignen werden.

Ein berühmtes Beispiel für Romanzen ist die Mass Effect-Serie. Dabei handelt es sich um ein Science-Fiction-Spiel, in dem man, ganz grob gesagt, das Universum retten muss. Es hat eine relativ offene Welt mit vielen Nebenaufgaben und natürlich auch zahlreichen Begleitern. Bislang sind drei Teile erschienen und in jedem Teil war es möglich, Romanzen einzugehen. Aber erst im dritten Teil war es möglich, auch eine homosexuelle Beziehung einzugehen.

Für die durchschnittlichen Europäer ist das eigentlich etwas Normales. In Die Sims kann man immerhin schon seit dem ersten Teil homosexuelle Beziehungen aufbauen. Doch der #Aufschrei in den USA war immens. Sowohl der Entwickler als auch der Publisher ernteten heftige Kritik. Interessanterweise kam diese aber nicht ausschließlich von jenen Menschen, die mit Homosexualität ein Problem haben. Es gab auch die homosexuellen Gruppierungen, die jetzt fragten, wieso so etwas nicht auch schon im ersten Teil möglich war.

Sexualität wird von Videospielern, meiner Erfahrung nach, sowieso immer sehr stiefmütterlich oder sehr kindlich behandelt. Stiefmütterlich deswegen weil sie Romanzen oder Sexszenen nur abarbeiten und eigentlich gar kein echtes Interesse an ihnen haben. Das sind jene Spieler, die einfach eine Geschichte erleben wollen oder schlichtweg alles ausprobieren und sehen wollen, was das Spiel zu bieten hat. Und dann gibt es noch die Spieler, die sich beim Anblick von nackter Haut oder küssenden Menschen schnell wegdrehen oder kichern. Der letzte Punkt mag dem durchschnittlichen Alter eines Videospielers geschuldet sein.

Aber bei all der Kritik muss man auch sagen, dass es durchaus Videospiele gibt, die Sexualität auf eine sehr erwachsene und künstlerische Weise interpretieren.

Ein Beispiel: die Halo-Serie. Ebenfalls ein Vertreter aus dem Genre der Science-Fiction. So spielt man hier in den anfänglichen Teilen den Master Chief, eine Art hochgezüchteten und technisch aufgerüsteten Super-Soldaten. Dieser wird stets von einer künstlichen Intelligenz namens Cortana* begleitet. Obwohl die KI naturgemäß nicht materiell existiert, es könnte also nie zu einer körperlichen Berührung kommen, und eigentlich keine Emotionen haben sollte, scheint sie im Laufe der Spiele Empfindungen für den Master Chief zu hegen. Dabei kommt es aber niemals zu einer echten, romantischen Szene zwischen ihnen. Alles findet eher unterschwellig statt und fällt höchstens dem ambitionierten und interessierten Spieler auf.

Was dieses Beispiel sehr gut zeigt: Um Liebe darzustellen, braucht es keine Sexszenen, es braucht nicht mal Kussszenen. Liebe findet nicht in rein optischer Darstellung statt. Und genau das scheint oft das Problem zu sein, sowohl in Videospielen als auch in Filmen.

Denn es ist wahnsinnig schwer Gefühle zu transportieren. Den Zuschauer oder Spieler so in den Film oder das Spiel hineinzuziehen, dass er eine echte Bindung zu den Darstellern oder Figuren herstellen kann, ist die höchste Kunst. Das liegt nicht nur an schlechten Schauspielern oder schlecht dargestellten und animierten Figuren. Ganz oft scheitert es einfach an der Zeit, die dem Zuschauer oder Spieler gegeben wird, sich in den Darsteller oder die Figur hinein zu fühlen.

Ein Film von neunzig Minuten hat meist nicht genug Zeit, so etwas wie echte Bindungen aufzubauen, denn neben den Liebeleien soll ja auch noch eine Geschichte aufgebaut und abgespielt werden. Ein Videospiel hätte durchaus genug Zeit, aber dort mangelt es oft am echten Willen der Entwickler oder aber man glaubt schlichtweg, dass der durchschnittliche Videospieler gar keine Beziehungen aufbauen will.

Und dann gibt es natürlich noch den großen Block der Geschlechterdarstellungen in Videospielen. Angefangen bei einer Lara Croft, die in den neueren Spielen deutlich menschlicher und natürlicher wirkt als in den ersten Serienteilen, bis hin zu der Frage danach, wieso man in manchen Spielen das Geschlecht der zu spielenden Figur nicht frei wählen kann. Die Palette ist breit gefächert und wer der englischen Sprache mächtig ist, dem sei Anita Sarkeesian empfohlen.

Sie erlangte mit ihren Videoformaten auf YouTube eine große Bekanntheit, aber ihre Beschäftigung mit der Rolle der Frau in Videospielen brachte ihr auch viele Feinde ein. Die Geschichte der Anita Sarkeesian ist nämlich nicht nur von Erfolg geprägt, sie ist auch von Todesdrohungen und Personenschutz geprägt. Sie zeigt auf sehr extreme Weise, wie brisant das Thema Sexualität in Videospielen geworden ist.

Und zum Abschluss will ich noch sagen angesichts der erschütternden Umstände auf der Welt und im Rückblick auf das Jahr 2016: Make love not war!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

*Kleiner Fakt zu Cortana: Wer sich fragt, wieso die Suchmaschine von Windows Cortana heißt, ja, der Name stammt von dieser Videospielfigur.

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